09 Sep Eine Frage des Verzichts
Ich ernähre mich seit vier Jahren vegetarisch. Keine toten Tiere, und dazu zähle ich auch Fisch, landen auf meinem Teller. Mir fällt der Verzicht auf Fleisch nicht schwer, vegane Ernährung allerdings schon. Käse ist mein heimliches Laster und Nudeln ohne Parmesan sind eben nicht das Gleiche. Ich werde immer wieder gefragt, ob ich denn bei der Kombination aus meinem Trainingspensum und dem Verzicht auf Fleisch keine Nährstoffmängel feststelle, Eisenmangel beispielsweise. Oder B12. Das eine, bedingt durch das andere. Ich habe seit Jahren Eisenmangel, mal mehr, mal weniger. Als Sportlerin ist das beinahe vorprogrammiert. Zum einen verliere ich durch meine Periode einmal im Monat Blut und somit Eisen. Zum anderen führen Schweißverlust und Muskelbeanspruchung dazu, dass mein Körper vermehrt auf Eisen zurückgreifen muss und ich dadurch im Durchschnitt einen höheren Eisenbedarf habe als weniger aktive Menschen.
„Ich liebe Wurst auch, aber ich esse sie nicht.“ – Jonathan Safran Foer
Wichtig hierbei ist jedoch, dass das nichts mit meinem Verzicht auf Fleisch zu tun hat. Denn der Mangel machte sich bereits lange vor meinem Entschluss zur vegetarischen Ernährung bemerkbar. In meiner Pubertät, um genau zu sein. Seither nehme ich regelmäßig Eisen zu mir und komme gut damit zurecht. Wenn ich erzähle, dass ich mich vegetarisch ernähre und dass dies vor allem im Tierwohl begründet liegt, erlebe ich meistens die gleiche Reaktion meines Gegenübers. Mir wird erzählt, dass man ja Biofleisch-, also nur „gutes“ Fleisch kaufe, und überhaupt habe man ja schon lange kein Fleisch mehr gegessen. Eigentlich sei man auch Vegetarier, nur in Ausnahmefällen werde man schwach.
Belehrung ist nicht der Weg zum Ziel
Ich verstehe, dass Verzicht schwerfällt. Immerhin kann auch ich nicht auf Milchprodukte verzichten, obwohl ich weiß, dass die Milchindustrie genauso schlimm ist, wie das Fleischimperium. Mir geht es nicht darum belehrend mit dem Finger zu wedeln und anderen zu erzählen, was sie dürfen und was nicht. Dazu habe ich weder das Recht noch die die Lust. Jedoch habe ich manchmal das Gefühl, dass Menschen sich angegriffen fühlen, oder das Bedürfnis haben sich und ihr Essverhalten zu verteidigen, sobald ich meine vegetarische Ernährung erwähne. Dadurch steht für mich schon fest, dass sie wissen, dass sie etwas Unrechtes tun.
Meiner Meinung nach ist es in erster Linie egal, ob das Fleisch „gut“ ist, oder nicht. Es ist und bleibt ein Tier und dieses wird getötet, damit wir Menschen es verzehren können. In zweiter Linie jedoch ist die Debatte um die Herkunft des Fleisches und damit um die Haltung des Tieres nicht unwesentlich, wenn es um Klimafragen geht. Neben dem Tierwohl der zweite Grund, warum ich vegetarisch lebe. Massentierhaltung, Ressourcenausbeutung, unverhältnismäßiger CO2-Ausstoß, Verunreinigung des Grundwassers, Erderwärmung, Klimawandel. Nicht jeder Mensch ist ein Tierfreund, aber die Zukunft unseres Heimatplaneten sollte doch immerhin Jede und Jeden etwas angehen.
Wir müssen unser Verhalten ändern
Laut dem statistischen Bundesamt hat der jährliche Fleischverbrauch in den letzten Jahren deutlich zugenommen.* Im Jahr 2019 betrug der durchschnittliche Verbrauch von beispielsweise Schweinefleisch in Deutschland pro Kopf 42,2 Kg. Zum Vergleich, in Indien sind es ca. 0,3 Kg, in Nigeria 1,5. Stand 2019. Fleisch ist somit ein Gut, welches sich weltweit nicht alle Menschen leisten können und das war bisher unser Glück. Die Armut der einen Länder bedeutete den Reichtum der anderen. Aber auch Schwellen- und Entwicklungsländer wie Indien entwickeln sich weiter und fangen an, am Wohlstand Gefallen zu finden. Während bei uns nun die Debatte um Fleischersatz und Erbsenbasis losgeht, fangen andere Länder gerade erst so richtig mit dem Fleisch essen an. Somit steigt die Nachfrage und die Antwort darauf lautet: Massentierhaltung.
Im Jahr 2020 wurden weltweit ca. 337,2 Millionen Tonnen Fleisch erzeugt. So schreibt es das statistische Bundesamt. Kaum auszudenken, wie viele Hühner, Rinder, Schweine und andere Tierarten dafür ihr Leben lassen mussten und kaum vorstellbar, was diese Industrie mit der Umwelt anstellt. Laut dem statistischen Bundesamt „beansprucht die Tierhaltung weltweit mittlerweile 78% der landwirtschaftlichen Nutzungsfläche“. Da die Nachfrage an Tierprodukten nicht nachlässt, werden jene Acker- und Weideflächen weiter ausgedehnt. Wälder dafür abgeholzt, natürliche Lebensräume zerstört und mit Pestiziden vergiftet. Wir rauben die Natur aus, wir behandeln die Tiere zu oft nicht gut und tragen durch deren Haltung und die daraus entstehenden Treibhausgasemissionen maßgeblich zum Klimawandel bei.
Verzicht beginnt im Umdenken
Ich liebe die Natur. Die Berge, grüne Wiesen, tiefe Wälder, Kuhglocken, Schafblöken, zwitschernde Vögel. Sie ist die Grundlage für meinen Sport, das Trailrunning und ich weiß um das Privileg, mich frei in der Natur bewegen zu dürfen. In einer Natur, die nach außen wunderschön ist und innerlich zerbricht. In Chamonix konnte ich gefühlt dabei zusehen, wie der Gletscher vor unseren Augen schmilzt und es ist leicht, einfach wegzusehen. Es ist einfach die Augen zu verschließen, obwohl wir täglich von negativen Nachrichten überrollt werden. Wir wissen von der Dürre, von Waldbränden und Wasserknappheit, verschwenden jedoch literweise Wasser für die Käse- und Fleischproduktion, weil wir nicht verzichten wollen, weil die Pesto Nudeln mit Parmesan eben besser schmecken. Ich weiß, wie schwierig Verzicht ist, aber für den Anfang würde es schon reichen, maßvoll zu verbrauchen und respektvoll mit anderen Lebewesen und der Natur umzugehen. Es wäre zumindest ein Schritt in die richtige Richtung
*Sämtliche Informationen stammen von folgender Quelle: https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/landwirtschaft-fischerei/tierhaltung-fleischkonsum/tierhaltung-fleisch.html; zuletzt geöffnet am 08.09.2022